Bester Spielfilm: Der Junge, der von Vogelfutter lebt – von Ektoras Lygizos

Giorgos beginnt gerade, es in Krisenzeiten mit dem Erwachsenenleben aufnehmen zu müssen. Der rauen Wirklichkeit ausgesetzt, führt er einen permanenten Kampf, um über die Runden zu kommen. Noch gibt es die winzige Einraumwohnung, aber schon nichts mehr zu essen. Die ständig zunehmende Not, der immerwährende Ausnahmezustand treiben Giorgos in einen Kreislauf aus Verlusten und Kompensation, in dem der Hunger die Konstante ist. Während sein früheres Leben sich immer mehr von ihm verabschiedet und Giorgos immer dünnhäutiger wird, versucht er, sich seine Sensibilität zu bewahren, als sei sie das innerste Zuhause. Mit unerschöpflicher Improvisationskunst begegnet er jeglichem Unvorhersehbaren. Die Gegenwart entreißt ihn der Vergangenheit, einer Zeit „davor“, in der es ein normales Leben gegeben haben muss – mit Gesangsunterricht, Eltern, Nachbarn, festen Bezugspunkten. Und während all das in Auflösung ist, versucht Giorgos Tag für Tag, einen Mikrokosmos zusammenzuhalten, in welcher Variation auch immer. Giorgos’ Begegnungen mit anderen sind intensiv, existenziell, verstörend. Verliebt- und Am-Verhungern-Sein treiben Giorgos um. In dieser Welt, die ihn nicht braucht, ist ihm die Gesellschaft seines Kanarienvogels geblieben, des einzig treuen Lebensgefährten. Zwei stillgewordene „Sänger“, die fürsorglich einander am Leben halten.
Bester Dokumentarfilm: Encardia. Der Stein, der tanzt – von Angelos Kovotsos (verliehen von „Region Attica Athen“)

Das Filmteam begleitet die griechische Band „Encardia“ auf ihrer Entdeckungsreise durch den Süden Italiens. „Encardias“ Musik ist inspiriert von der vielfältigen traditionellen Musik dieser Region. Während ihres Unterwegsseins spüren die Musiker den Grundelementen und der Kultur italienischer Volksmusik nach. Und sie interessieren sich besonders für den italienisch-griechischen Kultur-Mix. Dabei stoßen sie auf „Greco“, einen Dialekt aus der Antike, der auch italienische Wörter beinhaltete und in der Gegend „Grecía Salentina“ im Süden Italiens gesprochen wurde. Und sie entdecken die „Tarantela Pizzica“, eine lokale Variation des bekannten italienischen Tanzes, der in dieser Gegend auf Tanzende eine magische, religiöse und therapeutische Wirkung ausübte. Heutzutage erwecken lokale ältere und jüngere Musiker und Lyriker solche mediterranen Traditionen in ihren Liedern und Gedichten wieder zum Leben. Diese „Don Quijotes“ sind es, die zum Weiterleben dieser fast vergessenen Kultur beitragen. „Encardia“ gründeten sich 2004. Sie gaben ungefähr 500 Live-Konzerte – nicht nur in Griechenland, sondern auch an verschiedenen Orten Italiens, Südfrankreichs, Algeriens, Deutschlands, der Schweiz und Zyperns. „Encardia“ arbeiteten mit den bedeutendsten Repräsentanten der süditalienischen Musiktradition zusammen (z.B. mit Avantiaggiato, Licci, Durante, Villani, Castagna, Ghetonia) und sie traten mit namhaften griechischen Musikern auf (wie z.B. Bakirtzis, Delivorias, Thomaidis, Lekkas, Tsiamoulis, Xidakis). Angelos Kovotsos’ Film „Encardia – Der Stein, der tanzt“ bekam 2012 den Publikumspreis beim 14. Dokumentarfilmfest in Thessaloniki.
Bester New Vision Film: Ursa Minor (Sternbild Kleiner Bär) – von Elissavet Chronopoulou

In einem Stundenhotel im Herzen Athens wird ein Mann verhaftet und eine junge bewusstlose Frau zur selben Zeit aus diesem Etablissement gebracht.
Auf der Fahrt zur Polizeistation, hinten im Streifenwagen sitzend, rekapituliert der Mann die Geschehnisse der letzten Monate. Angefangen von dem Tag, an dem er die Frau in diesem Hotel zum ersten Mal hörte, sah und ihr schließlich nachging, bis zum hochdramatischen Ende ihrer Beziehung. Und von den Wochen voller Anspannung, Fragen, Grenzübertretungen, Zutrauen, Misstrauen, Erklärungen, Verwirrung, Täuschung, Selbstbehauptung, in denen diese zwei Menschen in einem permanenten Auseinandersetzungsprozess versuchten, einander zu ergründen und vielleicht mehr noch, sich selbst zu ergründen.
Auf engem Raum lässt die Regisseurin Elissavet Chronopoulou den Zuschauer Schritt für Schritt, Episode für Episode, Frage für Frage, Antwort für Antwort, Moment für Moment mitverfolgen, wie eine Situation sich immer mehr zuspitzt, in der die Frage von Recht und Unrecht sich ständig neu stellt und immer wieder neue Fragen aufgeworfen werden. Auch die, ob es hier überhaupt um Recht und Unrecht, Ehrlichkeit und Lüge geht. Der Zuschauer wird wieder und wieder in Unruhe versetzt, und während er sich über die Problematik der Protagonisten klar zu werden versucht und möglicherweise darüber nachzudenken beginnt, wer vor wem geschützt werden müsste und wie er selbst reagieren würde, ahnt er, dass diese „Geschichte“ eskalieren könnte, jeden Augenblick. Kein Film für zartbesaitete Gemüter.
Bester Kurzfilm: Dye (Einfärben) – von Giorgos Teltzidis

Produkte aus dem Teleshopping, Verschwörungstheorien, Haarausfall, Mahlzeiten, Haarverdichtungsspray. Sommer. Panagiotis, Nikos und Fani, die in einem der dicht bebauten Athener Viertel leben. Sie vermieten die Mansarde ein Stockwerk weiter oben an Rashid. Eines Tages sieht es ganz danach aus, als sei unverhofft ein möglicher Kaufinteressent für die Mansardenwohnung gefunden. Das könnte schnell Geld bringen. Und mit diesem Geld ließe sich das eine oder andere Problem lösen, wahrscheinlich. Aber was, wenn es doch nicht zum Verkauf kommt? Panajotis, Nikos und Fani müssen entscheiden. Wer ist tatsächlich in der Bredouille? Wer wird aktiv? Wer fordert? Wer geht wie weit? Wer hat welches Recht? Bedrohungen und Bedrohliches innerlich und äußerlich. Der ruhige, eigentlich ganz nette, etwas skurrile und im Grunde ziemlich frustrierte Nikos muss schließlich Blut wegwischen.
Honorable Mention Award in der Kategorie Kurzfilm: Volta (Spaziergang) – von Stella Kyriakopoulos

Eiscreme, Liebe und Verlust. Eine Mutter und ihre Tochter Nina mitten in Athen. Sie machen sich auf den Weg zu einem der Vororte im Norden. Nina glaubt, sie und ihre Mutter unternehmen einfach einen längeren Spaziergang.
Honorable Mention Award in der Kategorie Kurzfilm: Jennings Lodge – von Aliki Souma

Des Sprechers muntere Stimme. Die Bewohner von Jennings Lodge, einer kleinen Stadt in den Vereinigten Staaten, verfolgen in verschiedenen Vierteln eine Radiosendung. Das Programm wird plötzlich von der Eilmeldung über das Verschwinden eines Jungen unterbrochen. Unheilvolles hängt in der Luft. Beunruhigung und Lähmung machen sich breit. Etwas spitzt sich da zu. Im nächsten Kapitel drei Gestalten in spezieller Kluft, die durch ein lichtes Waldstück laufen, offenbar in einer Mission, die absurd anmutet. Es wird in einem Buch geblättert. Ein Spiel das Ganze? Ein Ritual? Kann Ornithologie weiterhelfen? Und schließlich der Reporter. Unterwegs im Nirgendwo zum Gespräch mit einem Moderator. Es kommt zur Kontroverse. Was hat das eine mit dem anderen zu tun, und welche Botschaft soll wen erreichen? Identitäten werden infrage gestellt. Womöglich auch die der Filmemacherin selbst. Ernst oder Spaß? Der Sprecher bleibt munter bis zum Schluss. Die Ereignisse scheinen hinreichend bedeutungsvoll.
Honorable Mention Award in der Kategorie New Vision: Abendessen für einige wenige (Dinner for a few) – von Nassos Vakalis

„Abendessen für einige wenige” ist eine Allegorie unserer Gesellschaft. Beim großen Gelage ernährt „das System” die einen, die gierig und rücksichtslos alle Ressourcen verkonsumieren, während die anderen fast verhungern. Zwangsläufig kommt es zum Kampf um die Reste des Gelages – der Beginn einer katastrophalen Veränderung. Ein Animationsfilm, der die Dekadenz einer feisten, verfressenen, maßlosen Gesellschaft in lebhaften Bildern zeichnet.